Die Mille - "das schönste, fahrende Museum der Welt", (Enzo Ferrari).
Wen der Oldtimervirus einmal gepackt hat, kommt an der "Mille" nicht vorbei. Die legendären tausend Meilen von Brescia nach Rom und zurück wurden erstmalig 1927 ausgetragen und führten auf
knapp 1600 km über öffentliche Straßen. 1977 wurde das Rennen wiederbelebt und zieht seither Oldtimerfans der ganzen Welt in ihren Bann. Den Stellenwert dieser Rallye in Italien begreift man erst, wenn man sieht, daß
Schulklassen ihren Unterricht auf die Straße verlegen, um den Fahrern und Fahrzeugen zu applaudieren. Und wer die "Mille" schon mal live erleben konnte weiß, daß sich dahinter noch viel mehr
verbirgt, als nur alte Autos. Es sind 3 Tage voller italienischer Lebensfreude, Begeisterung für alte Mechanik, Design, orchestrale Auspuffklänge und vor allem viiieeel, viiieeel Spaß!
Während des Winters reifte bei einigen elferclassix die Absicht heran, in diesem Jahr die "Mille" zu besuchen und einen großen Teil der Strecke mitzufahren.
Uns war klar, daß dies auch eine Herausforderung an Mensch und Maschine werden würde. Deshalb war sie auch nur dem zu empfehlen, der gerne viel Zeit und weite Strecken hinterm Lenkrad verbringt, aber dafür erlebt man das ganze
Ereignis hautnah. Kein Vergleich mit der üblichen Reise zum Passo della Futa, um dann einmalig den gesamten Tross an sich vorbeifliegen zu sehen. Als Wiederholungstäter übernahmen wir die aufwendige Planung dieses Vorhabens.
Mit von der Partie waren (in historischer Reihenfolge) Bäda und sein 2.4 S, Bj.'73, Marc und sein 2.4 S, Bj.'73 Thomas und sein 3.2 Targa, Bj.'89, Jürgen und
sein 964RS Coupe, Bj.'92 und last but not least Franz und sein Genießer Cabrio 993, Bj.'94. Nicht zu vergessen unsere treuen Beifahrerinnen, die wieder mal extreme
Nehmerqualitäten zeigten - Hut ab ! Was ein neues paar italienische Damenschuhe alles bewirken kann :-)
Im Nachhinein stellte sich heraus, daß ein paar PS mehr nicht schaden sollten.
Meine Vorbereitung reduzierte sich auf einen Satz frische Reifen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß es regelmäßig und dann auch sehr heftig während der "Mille" regnet. Ein guter Reifen
ist dann Gold wert. In diesem Jahr hatte Petrus aber ein Einsehen mit uns. Kein einziger Tropfen Regen während der 3 Tage!
Ausser uns reisten alle bereits am Mittwoch an. Zur Einstimmung wurden die ersten, italienischen Landstraßen, insbesondere die Tunnels an der Westküste des Gardasees unter die Räder genommen.
Bäda's Hupe konnte wohl die Vorfreude nicht mehr zügeln und frohlockte übermütig in den Tunnels zum Leidwesen anderer Verkehrsteilnehmer. Wie sich zeigte, war's dann doch nur ein Wackelkontakt. Ansonsten genoß man
die "Leichtigkeit des Seins" und "Dolce Vita". Da hatten die Frauen noch was zu lachen :-)
Stimmungsvoller Auftakt der "großen Schleife" ist traditionell am Donnerstag in Brescia die technische Abnahme, bevor die Autos dann am Abend Richtung Ferrara auf die erste Etappe gehen. Schon beeindruckend,
was an Kapriziosen hier auf kleinstem Raum zusammensteht. Und das Schöne für uns Zuschauer - man ist tatsächlich hautnah dabei. Man kann diese wunderbaren Fahrzeuge sehen, riechen, hören und fast fühlen (der Respekt verlangt,
diese Oldies nicht zu berühren). Glücklicherweise konnten wir einen Platz im Straßencafe ergattern und so die vorbeiziehende Kolonne genießen. Nur kurz blieben wir alleine, denn weitere elferclassix gesellten
sich zu uns - die Welt ist manchmal klein.
Bereits vor dem offiziellen Start fuhren wir am Nachmittag weiter nach Ferrara. Nachdem mit den Teilnehmern erst um Mitternacht in Ferrara zu rechnen war, zogen wir es vor, frühzeitig dort zu sein, um noch einen gemütlichen Abend zu verbringen.
Am Freitagmorgen sollte es dann auch für uns richtig losgehen.
Am Freitag Morgen bei Ferrara reihten wir uns in die Oldie Karawane ein und folgten ihr bis kurz vor Rom. Obwohl die ersten Kilometer aus der Po Ebene heraus in Richtung San Marino naturgemäß noch relativ
langweilig sind, haben unsere "Mille" Neulinge ganz schnell bemerkt, daß es durchaus zügig auf den 1600 km vorangeht. Man glaubt es kaum, aber selbst mit einem 911 kann man sich keine allzu langen Pausen gönnen,
um den Anschluß nicht zu verlieren. Aus diesem Grund kam für uns die Mittagspause auch erst sehr spät, nachdem wir uns ins Vorderfeld vorgearbeitet hatten und San Marino bereits hinter uns lag. Mehr als ein schnelles Panino und danach ein Caffé
waren allerdings nicht drin. Untermalt vom Motorengeräusch und dem Geruch der vorbeidonnernden Oldies bekommt die Pause aber ein ganz spezielles Flair. Diese Pausen an der Strecke bieten auch immer Gelegenheit zu Benzingesprächen mit dem ein oder
anderen Zuschauer oder Teilnehmer. Diesmal war es BMW Chefdesigner Christoph Bangle der sich mit unseren Copiloten über die Bremsprobleme an seinem BMW 328 unterhielt. Apropos Probleme. Bis zu diesem Zeitpunkt machte keines unserer Autos ernsthaften
Ärger. Einzige Ausnahme war der Kofferraumdeckel an Bäda`s 911 S. Der sprang bei forcierter Fahrweise und stärkeren Bodenwellen immer wieder auf. Mit Hilfe von extra starkem Klebeband und der selbstlosen Hilfe einiger Zuschauer am
Streckenrand, konnte aber Abhilfe geschaffen werden. Ich hatte das Auto danach für längere Zeit im Rückspiegel und fand die Raubtierzähne dieses derart präparierten 911 beunruhigend - als wollte er jeden Moment zum Sprung ansetzen.
Eines meiner persönlichen Highlights der gesamten Strecke, war die Anfahrt bergauf zum "Gola del Furlo". Wir erwischten einen günstigen Moment und jagten einer Gruppe extrem flott fahrender Teilnehmer hinterher. Ich war voll darauf konzentriert
dem 550 Spyder vor mir zu folgen. Der Fahrer dieses, kleinen Leichtgewichts ließ seinen Pferden freien Lauf und huschte Kart-ähnlich um die Ecken, sodaß ich alle Hände voll zu tun hatte um mithalten zu können. Und dieser Boxersound
aus einer Trompete ließ die Luft vibrieren und meinen Rücken erschauern. Als Elferfan - Himmelstrompeten.
Durchatmen, Puls wieder runterbringen - weiter ging's auf direktem Weg quer durch Umbrien und die Marken nach Viterbo, unserem heutigen Etappenziel. 12 Stunden on the road lagen hinter uns.
Besonders gesprächig waren unsere Frauen heute nicht :-)
Im Gegensatz zur Freitagsetappe, die jedes Jahr variiert, ist die Strecke am Samstag von Rom bis Bologna der jährlich wiederkehrende Klassiker. Leider macht die Originalstrecke dort einige Schleifen, die für den
öffentlichen Verkehr gesperrt sind. Dies bietet aber die Möglichkeit, sich im Feld nach vorne zu arbeiten und bei einer Pause wieder einen Teil des Feldes bewundern zu können. Eigentlich ist es fast unmöglich, sich zu diesem Zeitpunkt
nicht bereits selbst als Teilnehmer der Rallye zu fühlen. Spätestens aber, wenn man den "Passo della Futa" und den "Passo Radicosa" hinter sich gelassen hat, ist das echte "Mille" Feeling perfekt. Hier stehen die echten Fans
unter den Zuschauern und es gibt nirgends sonst so viele technische Ausfälle unter den Teilnehmern. Wer es einmal bis Bologna geschafft hat ist eigentlich durch, auch wenn noch gut 3,5 Stunden bis Brescia vor einem liegen.
Der Rest ist schnell erzählt. Noch eine sehr kurze Begegnung mit Jochen Mass im 300SLR. Trotzdem jedes Mal wieder ein echter Augen- und Ohrenschmaus. In der Hauptstadt der Ferrarisiti, in Modena gelingt es uns schließlich noch, gemeinsam mit
einer Gruppe von Begleitfahrzeugen durch die abgesperrte Innenstadt zu fahren und hinter Reggio Emilia noch ca. 50 km im Tandem mit Canè-Galliano, dem Seriensieger der vergangenen Jahre, zurückzulegen. Ca. 70km vor Brescia biegen wir dann von der Strecke ab,
um zu unserem heutigen Ziel in der Nähe von Mantua zu gelangen.
Beim sehr späten Abendessen werden die vielen Eindrücke des Tages verarbeitet und die Erkenntnis reift bei allen, nicht zum letzten Mal dabei
gewesen zu sein. Einzig die schwankenden Wände und Tische machen uns nachdenklich - ob das an den vielen, vielen, vielen Kurven heute lag ? Schließlich lagen 14 Stunden on the road hinter uns und am Ende des Tages hat so manches Lüfterrad aus dem
letzten Loch gepfiffen.
Und wo sind eigentlich unsere Frauen - hallooo, hallooo :-)
Am nächsten Sonntag Morgen trauert auch das Wetter, daß die "Mille Miglia 2006" schon wieder Geschichte ist. Es regnet und wir fahren heim. Insgesamt haben wir ca. 2500km abgespult - aber
jeder Kilometer war es wert.
Ermattete, aber selige Grüße von,
Marc und Alexandra