Aufpolsterung Fahrer-/Beifahrersitz am Beispiel 912


Stand: November 2009



Aufgepolstert


Dass die Sitze in meiner "alten Dame" leicht durchgesessen waren und eigentlich nur noch auf Fotos einigermaßen anständig aussahen, hat mich bisher nur bedingt gestört, da ein altes Auto auch alte Sitze haben darf.


Was aber nicht sein darf, ist so etwas hier:


Es wurde also Zeit, neue Sitzbezüge mußten her.


Da ein beziehen lassen beim Autosattler eindeutig mein verfügbares und von der Regierung (hallo Schatz :-)) freigegebenes Budget nicht nur leicht überschritten, sondern wahrscheinlich gleich ganz gesprengt hätte ... machte ich mich auf die Suche nach einer preiswerten Alternative.


Dem Dollar-Kurs sei Dank, fand ich diese zu einem annehmbaren Kurs in Brooklyn/NYC und nach ein paar Mails und einer Überweisung ging ein kompletter Satz Sitzbezüge auf die Reise ...


... wohlgemerkt für beide Sitze, wenn ein Sitz anfängt zu reißen lässt der Andere ja meist nicht lange auf sich warten ...



Teil 1. - Die Lehne:


Da es schon so um die 20 Jahre her ist dass ich einmal einen Sitz neu bezogen habe, war die Lehne mein erstes Opfer ...

... also raus damit:



Bevor es jetzt dreckig wird, wollen wir erst einmal die "Mannschaft vorstellen:



Was hier nicht liegt, ist GEDULD ... und zwar viel davon ... dafür war einfach nicht genügend Platz auf dem Foto.


Stellenweise darf man die Bezüge 2-3 mal wieder runter nehmen und die Polster neu ausrichten oder an bestimmten Stellen nachfüttern, damit sie vernünftig sitzen und keine Falten werfen.


Das dauert und nervt, aber das Ergebnis soll ja einigermaßen ordentlich sein, also sollte man pro Sitz oder Lehne gut zwei Stunden einrechnen ... mindestens.
Auch sollte klar sein, je "preiswerter" die Bezüge umso mehr Nacharbeit.


Also, her mit der Lehne:



Was einen hier "angrinst" sind Teppichnägel bzw. Polsternägel. Die hebeln wir jetzt vorsichtig mit einem kleinem Schraubendreher raus und ziehen den Lehnenbezug nach oben weg. "Nackig" sieht das Lehnengestell dann so aus:



Von vorne kann man sehr schön erkennen, dass noch das Originalpolster drunter steckt:



Leider liegt das Problem woanders ... um an das Problem selbst zu kommen muß man, wenn man die "Pferdehaarformmatte", die mit den Gestell verklebt ist, nicht beschädigen will, (leider wird Ersatz in Gold aufgewogen) nun sehr mutig sein und mit dem Teppichmesser schlimme Dinge tun ...


... nämlich den "Rücken" der Lehne aufschlitzen, um an die Federn zu kommen.


Diese bestehen im Falle unserer Schätzchen aus Gummiringen die miteinander über Metallklammern verbunden sind. Nach gut 40 Jahren ist das Gummi entweder morsch ... oder wie hier stellenweise schon gerissen.



Nur durch das Rausnehmen der Ringe sind noch drei weitere förmlich "zebröselt" ... Um meiner Bandscheibe für die Zukunft etwas Gutes zu tun, habe ich als Ersatz dickere Ringe mit einem etwas kleineren Durchmesser genommen ... also etwas härter.



Als sehr gute und preiswerte Quelle für die O-Ringe stellte sich hier der Sanitärfachhandel raus ... Stückpreis 0,65€ :-)


Nachdem die Ringe eingesetzt sind, sieht das dann so aus:



Ich habe erst alle neun Ringe miteinander verbunden und dann an den oberen Haken befestigt. Dann den unteren mittleren Ring eingehakt und nach den beiden anderen unteren die Seiten. So ging es am Einfachsten.


Nachdem der Leinenbezug wieder zugenäht wurde, habe ich die Lehne vorne mit Polsterfließ "aufgepolstert", um eine schöne Rundung hinzubekommen:



Den Polsterflies gibt es beim Raumausstatter, 2 qm dürfen es schon sein.


Beim Aufziehen des Lehnenbezuges gibt es ein paar Dinge zu beachten:

Damit beim "überziehen" die Nähte nicht reißen, den Bezug dort wo später einmal der Lehnenmechanismus angeschraubt wird auf ca. 10 cm einschneiden und umkrempeln. Damit verhindert man, dass der Bezug beim Drüberziehen einreißt ... also hier:



... natürlich auf allen Seiten

- Step by Step arbeiten ... also immer abwechselnd jede Seite ein paar Millimeter runterziehen ... lieber nocheinmal etwas zurück und von vorne

- Ständig das Fließ und die Kedernähte von innen kontrollieren und ausrichten um für einen guten Sitz des Bezuges zu sorgen, man kommt mit der Hand wunderbar überall hin. - "knackende" Nähte sind kein gutes Zeichen ... lieber noch mal von vorne anfangen - Bis der Bezug komplett auf dem Gestell ist, kann es schon mal 10 bis 15 min dauern ... GEDULD ist das Wichtigste.


Durch das Polsterfließ lässt sich der Bezug recht "flüssig" draufziehen ...



Wenn der Bezug ganz über das Gestell gezogen ist, richtet man solange von innen das Fließ und die Polsterung nach und zieht den Bezug zwischendurch immer wieder in die optimale Position, bis der Bezug sauber und ohne Falten sitzt ...


Also ungefähr so:



... wie gesagt, kann es durchaus nötig sein, den Bezug noch einmal runterzunehmen und ggf. die Wangen oder auch den Rücken etwas mehr oder weniger auszupolstern.


Wenn alles soweit sitzt, kann man anfangen ihn zu fixieren.


Dazu spannt man den Bezug auf der Vorderseite mittig so stark ...


... dass man die erste "Pfeife" mit einem Teppichnagel fixieren kann ... der darf ruhig stramm sitzen!



... dann "arbeitet" man sich immer abwechselnd rechts und links nach außen vor, bis der vordere Teil des Bezuges komplett fixiert ist:



Die Rückseite wird nach dem gleichem Prinzip gestrafft und befestigt ... hier legt man aus optischen Gründen das Kunstleder doppelt um.



Wichtig ist, dass man gerade die Rückseite so strafft, dass sie keine Falten wirft, da man sie später immer durch die Heckscheibe sieht. Die Seitenkanten sollte man vorher schon umgelegt haben, sonst sieht die Lehne hier später aus als wäre sie vom "Weihnachtsgeschenkpaketdienst" verpackt worden.


Die Knicke und Verformungen auf diesem Bild kommen noch durch die Transport-Verpackung und "längen" sich später aus ... so ist das Ergebnis schon annehmbar:



... der Riß im Bezug unten links kommt übrigens von meiner Ungeduld beim Aufziehen, hier hat es, weil ich den Bezug zuerst nicht eingeschnitten habe, die Naht gesprengt.


Wenigsten ist das eine Stelle, die man nur bei vorgeklapptem Sitz sieht und die mit ein paar Nägeln und etwas Kleber noch gerettet werden konnte.

Damit wäre die Lehne fertig.


Durch etwas "kneten" und "walken" kann man noch die eine oder andere eventuell unförmige Stelle ausrichten ... aber grundsätzlich ist die Lehne einbaufertig.


Die Löcher für die Schrauben lassen sich durch das Kunstleder ganz gut "erfühlen" und brauchen i.d.R. nur mit einem Madenschraubendreher "angestochen" zu werden ... dann kann man die Schrauben vorab probeweise eindrehen und den Sitz nachher recht leicht komplettieren.


Das war also zum "Warmwerden" ... wenden wir uns der Sitzfläche zu:



Teil 2. - Die Sitzfläche:


Nachdem die Lehne in "nur" 2 Stunden erledigt war, wenden wir uns also dem Sitz zu ... raus damit ... (einfach in Fahrrichtung rausschieben)



Und zum Zerlegen auf die Werkbank:



Sehr schön war, dass es sich auch hier anscheinend noch um das original - Gestühl handelt ... zumindest der Herstellungsstempel lässt dieses vermuten:





Nachdem die Lehnenverriegelung durch rausdrehen der beiden seitlichen Schrauben am Sitz abgebaut wurde und die "Dämpfergummis" der Lehnenverrieglung abgehebelt wurden (einfach mit einem breiten Schraubendreher seitlich runterdrücken) kann man sich an das "Abpolstern" machen.

Wenn man den Sitz umdreht, erkennt man, dass der Bezug einfach umlaufend "eingeklemmt" ist. Dazu wurde ab Werk ein "Pappstreifen" angetackert und eingedreht.


Am Einfachsten geht es, wenn man von oben auf den Sitz drückt, also quasi einfedert und mit einem Madenschraubendreher den Pappstreifen seitlich hochdrückt ... dann lässt sich der Bezug einfach aus der Fuge ziehen:






Hat man den Bezug so abgelöst, dreht man den Sitz um und zieht den Bezug nach oben auf "links":



Um den Bezug endgültig (inkl. der Pferdehaarformmatte) abnehmen zu können, musste ich vorher noch die Spannschnur für die "Sitzmulde" in der Sitzfläche lösen ... die wird normalerweise im Sitz befestig ... hier hat sich Derjenige, der den Sitz einmal sporadisch aufgepolstert hat, für die "einfache Variante" entschieden.


Man sieht auf diesem Bild auch sehr schön den "Kartoffelsack" der werksseitig als Staubschutz eingebaut wurde ... hier habe ich später eine Filzmatte eingesetzt.



Dann hat man das Federgestell auch "nackig"



... hier kann man sehr schön erkennen, dass der letzte "Aufpolsterer" zur "Verstärkung" in die Federn Schaumstoffklötze eingesetzt hatte ...


... nach Prüfung der Federn ( verbogen / gebrochen / ausgehakt ?) habe ich diese wieder eingesetzt, um den gewohnten Sitzkomfort zu erhalten.



So sieht ein 42 Jahre alter Sitzbezug von innen aus ... abgesehen davon dass sich das Kunstleder langsam in Hartplastik verwandelt hat, befinden sich auch die Pfeifen in Auflösung!

An den Markierten Stellen ist mit Krampen die beschriebene Hanfschnur befestigt, die an dieser Stelle Spannung in die Sitzfläche bringt und für die typische "Mulde" sorgt.

Unter Umständen ( je nach Preis für die neuen Bezüge) muß diese Schnur erst noch an den neuen Bezügen angebracht werden. Dazu misst man die Position am alten Bezug aus und zeichnet diese am neuen Bezug ein.



Als Schnur am neuen Bezug, habe ich einfaches Paketband genommen. Dieses habe ich mit einem Madenschraubendreher einfach von innen durch die Pfeifen gestochen.



Wichtig ist hier, dass man rechts und links am Rand auch durch das Kunstleder sticht (nicht nach außen), da die Pfeifen alleine durch den Zug einfach ausreissen würden.


... eingefädelt:



... durchgefädelt:



... lieber zu lang, als zu kurz ... Paketband ist nicht sooo teuer :-)


An den Außenrändern wird die Schnur nun noch mit den Krampen gesichert:



Dann kann es mit dem Sitz weitergehen.


Als nächstes habe ich wie angekündigt, das in Auflösung befindliche Leinentuch das unterm Sitz als "Staubfalle" dient, durch eine Filzplatte ersetzt:



Nachdem die Formmatte von "Altsünden" befreit wurde ( 30 mm starke Schaumstoffplatten ... AAAhhh) und mit Polsterfließ verkleidet wurde, kann mit der Montage des Bezuges begonnen werden. u.U. muß hier noch der Pappstreifen angebracht werden, dazu zieht man den Bezug probeweise einmal über den Sitz ...



Ggf. kürzt man den Bezug noch, bevor man die Pappstreifen anbringt ... ich habe dazu den alten Bezug als Maß genommen ... und "gefleddert" ...



... die Pappstreifen können rundherum mit dem Bürotacker am neuen Bezug festgemacht werden:



Bevor man nun den Bezug wieder festmacht, sollte er ordentlich ausgerichtet und auf korrekten Sitz der Formmatte geachtet werden. Geprüft werden sollte auch, ob sich irgendwo auf der Sitzfläche Falten vom Fließ durchdrücken oder sonst wie etwas nicht ordentlich sitzt.


Auch die Spannschnur sollte natürlich schon auf beiden Seiten bis durch das "Bodenblech" durchgefädelt sein ... den Sitz dann einfach umdrehen, von oben wieder Druck ausüben ("einfedern") und den Pappstreifen eingedreht in die umlaufende Fuge reindrücken.


Wenn man den Sitz so rundrum bezogen hat und alles passt, klopft man mit dem Gummihammer noch einmal von oben auf den Pappstreifen bis der Bezug sich richtig gesetzt hat.


Die Tiefe der Sitzmulde stellt man nun durch die Spannung der Schnur ein.


... damit die Schnur sich nicht am Blech durchscheuert ( auch etwas was am Fahrersitz passiert war) hab ich Unterlegscheiben eingeknotet:



Von oben sollte es dann wieder so aussehen:



Jetzt das Ganze noch eingebaut und das war´s.


Das Ergebnis kann sich eigentlich sehen lassen ... sicherlich hätte ein Sattler das Ganze ordentlicher und ggf. besser hinbekommen ...


... aber für noch nicht einmal € 300.- zwei komplette Sitze gerichtet und neu bezogen ...



...das hätte der Sattler eben nicht machen können:




... übrigens war die Passform der Bezüge jetzt wirklich nicht berauschend, so dass beide Sitze insgesamt 11 Stunden gedauert haben ... soviel zum Thema GEDULD :-)


Viel Erfolg,
Dirk

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